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Verlust der Arbeitslosenhilfe als Erwerbsschaden

Steht ein Erwerbsloser, der Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezieht, infolge einer Körperverletzung dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung und verliert er dadurch seinen Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung, so entsteht ihm auch dann ein Erwerbsschaden, wenn er aufgrund seiner Verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld aus der Sozialversicherung in gleicher Höhe erwirbt. In diesem Umfang geht der dem Arbeitslosen gegen den Schädiger zustehende Ersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger über.

Zum Sachverhalt:

Am 17. 4. 1980 wurde der bei der Betriebskrankenkasse gesetzlich versicherte Erwerbslose H bei einem Verkehrsunfall verletzt. Die Klägerin Betriebskrankenkasse zahlte H nach dem Unfall anstelle der von ihm zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe Krankengeld. Sie verlangt von der beklagten Haftpflichtversicherung des Schädigers aus übergegangenem Recht nach der im Zeitpunkt des Unfalls noch geltenden Vorschrift des §§ 1542 RVO im Rahmen eines Teilungsabkommens die Erstattung von 55 % ihrer Aufwendungen. Die Beklagte verneint einen Schaden.

Aus den Gründen:

1. Das LG meint, für einen Rechtsübergang von Ansprüchen des H auf die Klägerin fehle es an der für § 1542 RVO erforderlichen kongruenten Deckung. H habe keinen Erwerbsschaden erlitten. Anders als beim Arbeitslosengeld, bei dem es sich um eine echte Versicherungsleistung handele, werde Arbeitslosenhilfe nur bei Bedürftigkeit des Empfängers gezahlt und habe keine Lohnersatzfunktion. Ein übergangsfähiger Anspruch des H auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe sei auch deshalb nicht gegeben, weil H auf Grund des von der Klägers geleisteten Krankengeldes nicht mehr bedürftig gewesen sei.

Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden.

1. Nach dem zutreffenden Ausgangspunkt des LG kann die KLÄGERIN wegen der von ihr erbrachten Aufwendungen von der Beklagten aus übergegangenem Recht gern. § 1542 RVO Ersatz verlangen, wenn dem H seinerseits gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz zustand und die von der Klägerin als Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen mit dem ersatzpflichtigen Schaden des H in einem inneren Zusammenhang standen, d. h. mit diesem sachlich und zeitlich kongruent waren. Die Vorschrift des § 1542 RVO begründet für den Ersatzpfichtigen keine erweiterte Einstandspflicht für die Belastungen des Sozialversicherungsträgers durch dessen vom Gesetz angeordnete Leistungsverpflichtung, sondern verhindert nur, dass solche Leistungen im Ergebnis dem Schädiger zugute kommen

2. Entgegen der Rechtsansicht des LG stand H nach den §§ 823 1 BGB, 7 1 StVG, 3 Nr. 1 PfIVG ein (übergangsfähiger) Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu.

a) Da H im Zeitpunkt des Unfalls arbeitslos war und die Klägerin nicht behauptet, dass er während der Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in eine Arbeitsstelle hätte vermittelt werden können, ist ihm allerdings kein Verdienstausfallschaden entstanden. Ein solcher ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

b) Ein von der Beklagten zu ersetzender Vermögensschaden liegt jedoch darin, dass H infolge des Verkehrsunfalls arbeitsunfähig geworden ist und dadurch seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe verloren hat.

aa) Gem. § 842 BGB, § 11 StVO erstreckt sich bei einer Körperverletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz auf die (Vermögens-) Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Dabei kommt allerdings nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats der Arbeitskraft als solcher kein Vermögenswert zu; ihr Wegfall allein stellt deshalb auch bei „normative“ Betrachtung keinen Schaden im haftungsrechtlichen Sinne dar(

Aus diesem Grunde entsteht demjenigen, der nur von seinem Vermögen oder seiner Rente lebt, arbeitsunwillig oder arbeitslos ist, ohne Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beanspruchen zu können, allein durch den Verlust seiner Arbeitsfähigkeit noch kein ersatzpflichtiger Schaden. Die Ersatzpflicht greift jedoch ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist

Ein solcher liegt nicht nur in dem Verlust von Arbeitseinkommen; der Erwerbsschaden umfasst vielmehr alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt

Ein derartiger Vermögensschaden entsteht aber einem Arbeitslosen, der Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhält, weil das Gesetz ihn wegen seiner Arbeitsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeitsleistung als weiterhin in den Arbeitsmarkt eingegliedert ansieht, und er diesen der Existenzsicherung zugrunde gelegten Status und die damit verbundenen sozialen Leistungsansprüche verliert, wenn er unfallbedingt arbeitsunfähig wird.

Der Rechtsanspruch auf Arbeitslosenunterstützung entsteht nicht schon durch die bloße Tatsache der Arbeitslosigkeit. Er setzt voraus, dass der Arbeitslose arbeitsfähig ist und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt, seine Arbeitskraft also dem Arbeitsmarkt anbietet.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird dem Arbeitslosen in Grenzen das soziale und von ihm regelmäßig nicht beeinflussbare Risiko der Arbeitslosigkeit abgenommen-

(. . . )

bb) Da der infolge des Unfalls arbeitsunfähig gewordene H unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes keine Beschäftigung mehr ausüben konnte und deshalb der Arbeitsvermittlung nicht länger zur Verfügung stand, hat er seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe verloren. Eine diese bewilligende Entscheidung war nach § 151 1 AFG (in der hier anzuwendenden Fassung v. 25. 6. 1969, BGB1 1, 582) aufzuheben.

( . . . )

In diesem Anspruchsverlust ist trotz des Umstands, dass H nach dem Verkehrsunfall gern. § 182 1 Nr. 2 RVO, § 158 1 AFG in gleicher Höhe Krankengeld bezogen hat, ein ersatzpflichtiger Vermögensschaden zu sehen.

( . . . )

Damit stimmt auch die Rechtsprechung des BSG zu § 109 BSGVG überein, in der ein Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit wegen des auf die Kasse übergegangenen Schadensersatzanspruchs des Arbeitslosen verneint wurde.

Wird eine Sozialleistung (hier: Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe) von einer anderen (Krankengeld) abgelöst, dann kann dies allerdings ausschließlich in dem System der Sozialversicherung, d. h. in dem Verhältnis der beiden Sozialleistungen zueinander, mit der Folge begründet sein, dass dem Schädiger der Wegfall der zunächst erbrachten Leistung haftungsrechtlich nicht zuzurechnen ist. So hat der erkennende Senat bei der unfallbedingten Schmälerung des Altersruhegeldes durch eine seine Funktion mit übernehmende Unfallrente in Höhe des gem. § 1278 RVO ruhenden Teils der Altersrente einen ersatzpflichtigen Schaden des Rentenberechtigten ebenso verneint wie beim Zusammentreffen einer (niedrigeren) Waisenrente aus der Angestelltenversicherung mit einer (höheren) Waisenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter für die gem. § 57 II AVG ruhende niedrigere Rente ( . . . ) ; gleiches gilt bei der Ablösung des Kindergeldanspruchs nach § 81 Nr. 1 BKGG durch einen Anspruch auf gleichhohe Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gern. § 583 II RVO (NJW 1978, 2200 = VersR 1978, 861) oder auf entsprechende Kinderzuschüsse zur Berufsunfähigkeitsrente nach § 1262 RVO (NJW 1983, 114 = VersR 1983, 52 (53)). In solchen Fällen sind die Voraussetzungen zum Bezug der „entfallenen“ Sozialleistungen auf Seiten des Berechtigten auch nach dem Schadensereignis an sich weiter gegeben; dass die anfänglichen Leistungen nach Eintritt der Voraussetzungen für den Bezug gleichwertiger anderer sozialer Leistungen, die demselben Zweck der sozialen Versorgung dienen, nicht länger erbracht werden, hat seine Ursache allein in dem Gesamtsystem der sozialen Sicherung, durch das ein Doppelbezug solcher Leistungen vermieden werden soll, die jede für sich ihrer Art nach den Lebensunterhalt sicherstellen. Bei derartiger Sachgestaltung steht der Wegfall der ursprünglichen sozialen Leistung mit der vom Schädiger verursachten Verletzung des Sozialversicherten lediglich in einem äußeren Zusammenhang, hängt mit ihr aber haftungsrechtlich nicht zusammen. Da der Verletzte durch die auf die soziale Leistungsträgerschaft beschränkte Umformung seiner sozialen Ansprüche keinen Schaden erleidet, wird ein solcher auch nicht, wie für die Anwendung des § 1542 RVO erforderlich, auf den nunmehr leistenden Sozialversicherungsträger verlagert, Würde der Schädiger diesem Ersatz zu zahlen haben, so hätte er für einen „originären“ Schaden des Sozialversicherungsträgers einzustehen, - ein Ergebnis, das von dem Normzweck des § 1542 RVO nicht gedeckt wäre.

Eine andere schadensrechtliche Betrachtung ist jedoch geboten, wenn - wie hier - der Anspruch des Arbeitslosen auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe infolge Unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit entfallen ist. Zwar spricht das Gesetz auch in den Fällen des § 118 1 Nr. 2 AFG lediglich von einem „Ruhen“ des Anspruchs des Arbeitslosen während der Zeit, für die ihm Krankengeld zuerkannt worden ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass neben dem Anspruch auf Krankengeld ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung weiter besteht; dieser ist vielmehr, wie bereits dargelegt, durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Verletzten und die dadurch weggefallene Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung entfallen. Die Anordnung des Ruhens hat deshalb in solchen Fällen nicht den Zweck, den Doppelbezug zweier nebeneinander gewährter Sozialleistungen zu verhindern, sondern die Bedeutung, den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nach dem Ende des Krankengeldbezuges wieder aufleben zu lassen, ohne dass es erneut einer Meldung, eines Antrags und einer Bewilligung bedarf (BSGE 21, 286 (287)). Da der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nicht erst infolge der Gewährung des Krankengeldes, sondern bereits wegen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen entfällt, ist hier nicht lediglich eine Sozialleistung in eine andere umgeformt worden; die beiden sozialen Leistungen bilden deshalb nicht kraft sozialrechtlicher Regelung eine Einheit, bei der das „Ruhen“ der einen mit der „Leistung“ der anderen in einer vom Gesetz angeordneten Abhängigkeit steht. Krankengeld und Arbeitslosenunterstützung sind seit dem Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. 6. 1969 nicht einmal mehr in der Weise miteinander verknüpft, dass die Bundesanstalt für Arbeit der Krankenkasse deren Aufwendungen an Krankengeld für Arbeitslose zu erstatten hat. Die frühere Vorschrift des § 109 II AVAVG, die trotz solcher Anordnung, wie gesagt, dem BSG keinen Anlass gegeben hat, einen Schaden und einen übergangsfähigen Ersatzanspruch des arbeitsunfähig gewordenen Arbeitslosen zu verneinen, ist durch § 157 1 AFG dahin geändert worden, dass die Bundesanstalt für Arbeit jetzt lediglich die Beiträge für die Versicherung der Arbeitslosen trägt.

Eine der Annahme eines Schadens des H entgegenstehende sozialrechtliche Verknüpfung des Krankengeldes mit der Arbeitslosenhilfe wird auch nicht durch die am 1. 1. 1981 in Kraft getretene und deshalb auf den vorliegenden Fall ohnehin nicht unmittelbar anwendbare Vorschrift des § 105h 1 AFG geschaffen, nach der ein Arbeitsloser bei Krankheit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder - über § 134 IV AFG - auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen nicht verliert. Durch diese Vorschrift soll ein Wechsel des Sozialleistungsträgers bei kurzer Krankheit vermieden werden; sie ist aus Zweckmäßigkeitserwägungen in Anlehnung an § 1 LohnFG in das Gesetz eingefügt worden, um entstandene Unzuträglichkeiten zu beseitigen (. . . ). Der Vorschrift kann deshalb lediglich entnommen werden, dass in den ersten sechs Wochen nach Eintritt des Krankheitsfalles die (weitergezahlte) Arbeitslosenunterstützung an die Stelle des ohne diese Regelung zu zahlenden Krankengeldes tritt; sie rechtfertigt aber nicht gleichsam im Umkehrschluss die

Annahme, dass auch der mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entstandene Anspruch auf Krankengeld lediglich eine Umformung des bis dahin bestehenden, wegen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen nun aber nicht mehr gegebenen Anspruchs auf Arbeitslosenunterstützung darstelle. Ob entsprechend der Vorschrift des § 4 1 LohnFG der Schadensersatzanspruch des Arbeitslosen bei Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes statt des an sich zu gewährenden Krankengeldes für die in § lO5b 1 AFG genannte Zeit gem. §~ 127 AFG, 116 SGB X auf die Bundesanstalt für Arbeit übergeht, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

Schadensrechtlich bedeutet dies hier, dass die zur Arbeitsunfähigkeit des H führende Körperverletzung durch den Verkehrsunfall und der hierdurch eingetretene Wegfall der Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosenhilfe zu einer Minderung des Vermögens des H und damit zu einem konkreten Schaden geführt hat, der vom Schädiger haftungsrechtlich zu verantworten ist (vgl. bereits Senat, NJW 1978, 2200 = VersR 1978, 861 (zu II 3)).

3. Entgegen der Rechtsansicht des LG ist der Schadensersatzanspruch des H gem. § 1542 RVO auf die Klägerin übergegangen.

a) Die Vorschrift des § 1542 RVO soll verhindern, dass dem Haftpflichtigen im wirtschaftlichen Ergebnis die Last des von ihm zu verantwortenden Schadens abgenommen und auf den Träger der Sozialversicherung endgültig verlagert wird (Senat, NJW 1976, 2349 = VersR 1976, 756 (757) m. w. Nachw.). Der Schädiger soll also nicht freigestellt werden, wenn er ohne das Bestehen der Sozialversicherung dem Geschädigten Ersatz zu leisten gehabt hätte (BGHZ 79, 26 (33 ff.) = NJW 1981, 623). So liegt der Fall hier. Hätte die KLÄGERIN dem H nicht anstelle der durch den Verkehrsunfall entfallenen Arbeitslosenhilfe Krankengeld gezahlt und damit die Vermögenseinbuße des H ausgeglichen, so hätte die Klägerin als Haftpflichtversicherung des Schädigers dem H diesen Schaden ersetzen müssen.

b) Das von der KLÄGERIN gezahlte Krankengeld ist mit dem ersatzpflichtigen Schaden des H nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich kongruent. Dass dem Krankengeld eine so genannte Lohnersatzfunktion zukommt, weil es ebenso wie der Arbeitslohn dem Lebensunterhalt des Versicherten dient, ist in der Rechtsprechung anerkannt

( gekürzt )

c) Dem Rechtsübergang des Schadensersatzanspruchs des H auf die Klägerin steht schließlich auch nicht die Erwägung entgegen, dass der Gesamtheit der Leistungsträger durch die Zahlung des Krankengeldes anstelle der früheren Arbeitslosenhilfe kein Schaden entstanden sei, da beide Beträge gleich hoch sind. Zum einen sind die an den Zahlungen beteiligten sozialen Leistungsträger (Bundesanstalt für Arbeit im Auftrag des Bundes und Krankenkasse) im Verhältnis zum Schädiger nicht als Einheit anzusehen; zum anderen ist es für den Rechtsübergang auf den Sozialversicherungsträger nach § 1542 RVO aber auch nicht erforderlich, dass diesem eine Unfallbedingte Mehrbelastung entsteht

BGH, Urteil vom 20-03-1984 - VI ZR 14/82 (LG Köln)

NJW 1984 Heft 33 1811 V

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